Es ist ein offenes Geheimnis: Teile der Chorszene leiden seit Jahren massiv unter Nachwuchssorgen. Das altersbedingte Ausscheiden von Sängerinnen und Sängern wird durch die spärlichen Neuzugänge nicht einmal im Ansatz kompensiert. Dieser Abwärtstrend hat mittlerweile eine gefährliche Eigendynamik entwickelt, denn überalterte Chöre sprechen die dringend benötigten jungen Sänger umso weniger an. Ferner scheint es auch an engagierten Chorleitern zu mangeln.
An dieser Stelle soll keine Ursachenforschung betrieben werden. Wir können auch keinem die Frage beantworten:
„Warum sollte ich in einem Chor singen?“. Wir können aber jedem, der diesen Gedanken zumindest schon einmal ernsthaft erwogen hat, eine Bühne geben um das in freundschaftlicher Atmosphäre für sich selbst heraus zu finden. Dazu möchten wir folgend einige Fragen beantworten die wir aus Gesprächen mit potentiell neuen Sängern herausgehört haben.
Wer ist unsere "Zielgruppe"?
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Na bitte, geht doch. Einmal durch die Zeitmaschine... Derzeit leider nur am Computer möglich - noch!😉 |
Wir sind ein reiner Männerchor, so wie es reine Frauenchöre und gemischte Chöre gibt. Für letztere können wir gern Kontakte vermitteln, aber unsere Choruniformen stehen Männern einfach besser...
Und so ist unsere einzige Präferenz eigentlich die: Sie sollten sich in diesem Punkt relativ sicher sein und den Stimmbruch erfolgreich hinter sich gebracht haben. Wir sind da wirklich absolut offen, vermuten aber, dass sich das frühe Rentenalter anbietet. Vielleicht suchen Sie aber auch ein ausgleichendes Hobby fernab ihrer beruflichen Verantwortung. Wichtiger als Ihr Alter ist, dass Sie sich bei uns wohl fühlen, die Chemie stimmt. Im Allgemeinen reichen ein bis zwei
Schnupperstunden für diese Entscheidung. Aber Vorsicht, bisher sind alle die es ernst gemeint haben geblieben.
Wie gestaltet sich der Einstieg?
Ein Hereinschauen ist völlig unverbindlich. Wenn Sie dann zur Pause wieder gehen ist das vollkommen in Ordnung. Die Freude am Gesang kann man nur wecken, nicht erzwingen. Sie müssen bei uns nicht vorsingen oder gar eine Aufnahmeprüfung bestehen. Auf Wunsch bekommen sie eine Notenmappe, die einen recht guten Querschnitt über unser Liedgut vermittelt. Und dann bestellen Sie sich etwas zu trinken, lehnen sich zurück und hören einfach nur zu. Sie werden eine ganz normale Chorprobe erleben mit herrlich schrägen Tönen aber auch mit Gänsehautmomenten wenn wir z.B. Mozarts Bundeslied singen. Sie werden einen ersten Eindruck bekommen wie sich mehrstimmiger Chorgesang aufbaut und was es zu proben gilt. Konzentrieren Sie sich erst einmal weniger auf die Lieder selbst. Lassen Sie einfach nur die Atmosphäre auf sich wirken. Bevor Sie lernen in einem Chor zu singen, müssen Sie erst einmal entscheiden, ob Ihnen diese Form der Freizeitgestaltung Freude bereiten könnte. Nach der Singstunde können Sie gern bleiben und werden feststellen, dass Sie nicht lange allein sitzen.
Sollten Sie in der folgenden Woche wiederkommen, wird Ihnen schon alles viel vertrauter erscheinen. Diese zweite Schnupperstunde sollten Sie verwenden um Ihre
Wohlfühltonlage auszuprobieren, also wie hoch bzw. wie tief sie mit Ihrer Stimme kommen. Unser Chorleiter hört sich das an und wird Sie einer passenden Stimmgruppe zuordnen. Wenn Sie sich dann nach ein paar Monaten sicher sind ein neues Hobby gefunden zu haben, werden Sie durch unseren Vereinsvorsitzenden feierlich in die Reihen eines der ältesten Männerchöre Deutschlands aufgenommen. Sie erhalten ihre Choruniform und ihre Notenmappe. Glückwunsch, Sie sind nun ein Sänger. Wann Sie das erste Mal mit uns auf der Bühne stehen entscheiden wiederum Sie selbst.
Wie hoch ist der Anspruch?
Wie an anderer Stelle bereits erwähnt: Wir waren und wir sind ein reiner Laienchor. Mit Ortellis Hymne
„La Montanara“, gesungen im Originalsatz in italienischer Sprache, haben wir unsere derzeitigen Möglichkeiten ausgereizt. In einigen Liedern können unsere Tenor Solisten zeigen was sie können. Das schwierigste für Neueinsteiger ist der sogenannte
Satzgesang. Lediglich die ersten Tenöre singen die bekannte Melodie, die restlichen Stimmen bilden Harmonien und Fundament. Gerade für Bässe entstehen dabei oftmals Linien völlig losgelöst von der eigentlichen Melodie. Aber das kann man(n) lernen. Dabei muss kein Sänger solo singen, geübt wird immer mit der gesamten Stimmgruppe.
Was also unseren Anspruch betrifft: Sie werden mit uns (wahrscheinlich) nie in der Elbphilharmonie singen oder in der Royal Albert Hall Beifallsstürme ernten. Unsere Bühnen sind die Dorf- und Sängerfeste, die Kirchen und in der Weihnachtszeit sicher auch mal ein Seniorenheim. Überall hier bedienen wir unseren historischen Auftrag: Die deutsche Volksmusik am Leben erhalten und den Spaß an deren Pflege unter die Menschen tragen.
Wer legt fest was gesungen wird?
Wir. Unser Chorleiter
drückt sich vor keinem Lied, beschützt uns allerdings manchmal vor uns selbst. Er hat über die Jahre ein recht sicheres Gefühl entwickelt, welche Lieder auf der Bühne
funktionieren. Es gibt auch Kompositionen, da springt der Funke auf die Sänger einfach nicht über. Das Steigerlied ist so ein Beispiel. Wir sind nun mal Weinbauern, keine Bergleute. Auch von Shantys lassen wir die Finger, bzw. die Stimmbänder. In einem Chor wird es nur selten eine 100-prozentige Abdeckung der musikalischen Interessen geben. Jeder Sänger hat so seine Lieblingslieder, die er dann eine Spur inbrünstiger singt. Aber bei über 160 Sätzen in unserem Notenarchiv ist viel Spielraum zum Probieren und für Kompromisse. Und dann sind da natürlich noch die Sängersprüche, kurze Liedchen die irgendwie alle etwas mit Mädels und Gott Bacchus zu tun haben.
Muss ich Noten können?
Diese Frage beantworte ich jetzt mal als Chorleiter. Stellen Sie sich also vor, Sie sitzen wieder auf der Schulbank und schreiben eine Klassenarbeit. Schon wird Ihnen himmelangst, weil Sie natürlich Fußball gespielt haben anstatt Algebra zu pauken, als der Lehrer plötzlich sagt:
„Sie dürfen heute alle ihre mitgebrachten Spicker benutzen.“
Die Notenmappen SIND Ihre
Spicker. Noten kann man auf verschiedenen Ebenen lesen. In meiner Jugend kannte ich einen Sänger, der konnte ihm völlig unbekannte Melodien
vom Blatt singen. Das ist aber schon die etwas höhere Schule. Im Grunde können
"meine Sänger" die Melodien auswendig. Der Blick in die Noten ist so eine Art Rückversicherung. Notenblätter enthalten zudem wichtige Zeichen zur Interpretation des Liedes, sprich, Stimmung, Lautstärke, Tempo, etc. Unsere Notenmappen sind personalisiert. Jeder Sänger kann sich also seine eigenen, ihm wichtig erscheinenden, Notizen machen.
Um nun also die bange Frage nach der Notenkenntnis im Interesse aller potentiell sangesfreudigen Winzer zu beantworten - und um des lieben Friedens willen 😇 -
NEIN - Sie müssen keine Noten können. Sie reihen sich damit ein zwischen
Paul McCartney,
Elvis Presley oder auch
Irving Berlin der über 1500 Lieder komponierte, darunter etliche Welthits. Auch
Brian May habe ich beim Solo auf seiner "Red Special" noch nie Noten umblättern sehen. Und so entstand dann wohl auch der Spruch für alle
Notenmuffel: „Die Musik beginnt wo die Noten enden“.
Muss ich die Texte auswendig lernen?
Auch das ist nicht notwendig. Allerdings sollte die Notenmappe NICHT dazu dienen
ein Lied vorzulesen. Wir machen während der Singstunde keine speziellen Übungen zur Textsicherheit, das geben die knappen zwei Stunden einfach nicht her. Mit der Zeit prägen sich die Texte derart ein, dass ein kurzer Blick auf den Beginn der nächsten Strophe reicht. Wir möchten aber nicht verschweigen, dass unsere Freunde vom Ernst Abbe Chor seit Jahren ohne Notenmappe auf die Bühne gehen und dort ein veritables Programm zur Aufführung bringen. Aber man muss ja nicht alles nachmachen…
Wie viel Zeit muss ich investieren?
Verglichen mit anderen Hobbys eher wenig. Ganz konkret sind es 2 Stunden pro Woche. Wir proben jeweils am Dienstag in der Zeit von 18:30 – 20:30. Dazwischen liegen 15 Minuten Pause. Hinzu kommen die Auftritte, also gewissermaßen der Lohn unserer
Arbeit. Diese sind jedoch in den letzten Jahren durchaus überschaubar geworden. Das ist einerseits sehr schade, auf der anderen Seite spielt es dem Durchschnittsalter unseres Chores durchaus in die Karten. Letzteres ist generell ein wichtiger Punkt dem wir bei der Planung unserer Auftritte Rechnung tragen. Das die gesundheitlichen Belange unserer Sänger den absoluten Vorrang genießen, versteht sich von selbst. Uns ist ebenso klar, dass familiäre Interessen die des Chores überwiegen. So machen wir während der gesamten Zeit der Sommerferien ebenfalls Chorpause. Über den Jahreswechsel enden die Auftritte bzw. Singstunden mit unserer Weihnachtsfeier Mitte Dezember und beginnen im Folgejahr Anfang Februar. Die gute Hälfte unserer Sänger bewirtschaftet einen Garten. Das lässt sich ebenso mit dem Singen vereinbaren wie Urlaube während der Chortätigkeit. Wir geben einzig zu bedenken, dass bei zu wenig Sängern keine Auftritte mehr möglich sind und die Proben recht uneffektiv werden.
Wie läuft eine Singstunde ab?
Jede Probe wird von unserem Vorsitzenden eröffnet. Dabei werden Auftritte ausgewertet, Termine bekannt gegeben und eventuelle Fragen geklärt. Wir informieren uns gegenseitig über das Befinden von Sängern die längerfristig erkrankt sind oder verlesen Grußbotschaften. In den verbleibenden 50 Minuten bis zur
Halbzeitpause üben wir unsere neuen Lieder. Hier ist volle Konzentration angesagt und der gelegentliche Blick einiger Sänger auf die erlösende Uhr ist durchaus verständlich. Nach der Pause wiederholen wir Stücke unseres Standard Repertoires und feilen an Details. Irgendwann ist dann aber auch genug gebüffelt. Wenn noch Zeit ist singen wir Wunschlieder. Lieber sind uns aber ehrlich gesagt die Geburtstagsständchen, die sind nämlich weniger
trocken. Nach Ende der Singstunde bilden sich meist noch kleinere Grüppchen, ein wenig Zeit für ganz Persönliches bevor es zurück in den Alltag geht. Zum Glück ist bald wieder Dienstag…